Man ist das zuhause schön.
Ich habe jetzt vier Tage auf dem sonnigen Balkon in meinem Einzelzimmer auf der HNO 2 verbracht, und so schlecht, wie ich befürchtet hatte, gings mir gar nicht. Es war nur grottenlangweilig.

Schwester Rabiata mahnte gestern vorwurfsvoll: "na, Ihnen scheints ja gut zu gehen" als ich mit Miniengel und zwei Freunden in gemütlicher Runde saß. Ja, Hallo? War ich nich da, damit es mir wieder gut geht oder gegen welche Pflicht hatte ich da verstoßen? Der Schnuckelarzt meinte gestern: "ah, ja, Frau Erzangie wieder in der Wohlfühllounge, ich setz mich mal zu Ihnen" Tscha, hab halt nen guten Draht zu Petrus, der uns Genesende mit dem sonnigsten Pfingsten ever verwöhnt, und ich sach ma, das hab ich mir einfach verdient. Hab ja mit nem Schnitt am Hals gezahlt, der mal locker an Highlander erinnert (ja, der mit Christopher Lambert) und hab genug Drogen für die nächsten Monate eingeflößt bekommen (auch lustig, die Lernschwester sagte: "ich muss mich überzeugen, dass sie die Pille schlucken, aber vorsicht, die macht high")

Ich habe rundum unter den Einschränkungen des stressigen (wirklich!!) Klinikalltags alles getan, damit es mir gut geht. Das Essen war so schlecht, dass ich mein soziales Netz zur Notversorgung eingespannt habe, damit ich sofort wieder zu Kräften kam. Gegen Schwester Rabiata hab ich mein sonniges Gemüt gesetzt, den einen Schlächterarzt hab ich vehement abgelehnt und auf seinem Kollegen bestanden, und mit dem selben Egoismus werde ich auch den Rest überstehen.

Erst einmal brauche ich wieder Geduld. Das Ergebnis der Biopsie wird frühestens übernächste Woche da sein.

Und ich muss Microengelchen wieder aufbauen. Als ich sie bei ihrer Freundin abholte, stürzte sie in meinen Arme und weinte bitterlich. Bestimmt eine halbe Stunde kuschelte sie sich in mich. Wie ich erfuhr, waren die vier Tage "eigentlich" nicht schlimm sondern eher sehr schön für sie, sie war schwimmen, grillen, WII spielen... aber ICH war nicht da, und sie hatte sich zudem Sorgen um mich gemacht. HIER ist meine schwierigste Baustelle, hier werde ich wohl die meiste Kraft lassen.

Es geht nämlich tatsächlich nicht nur um MICH.

Die Voruntersuchungen habe ich jetzt erst einmal hinter mir, morgen früh ist dann die OP. Leider muss ich doch fünf Tage im Krankenhaus bleiben, wobei... der Arzt, der mir das sagte und der mich auch operieren wird, ist echt schnuckelich :-) Soooo schlecht geht´s mir wohl doch nicht mehr *lach*

Ich werde mich eindecken mit Büchern, die ich schon immer mal lesen wollte, mit Wolle für´s Taschen häkeln, mit Quarks& Co auf meinem Ipod und mit meinem Mathebuch (falls ich mich konzentrieren kann). Außerdem habe ich beschlossen, Hof zu halten, und alle meine Freunde und Verwandte in die HNO 2 einzuladen. Haben die da auch Hotspots? Ich hab ganz vergessen zu fragen, ob ich mich ins Internet einloggen kann..

Was die Flügel betrifft: da werde ich wohl meine Arbeitsweise etwas anpassen müssen. Resourcen für Andere habe ich zur Zeit nich, also muss ich meine Energien auf mich selbst konzentrieren.

Daher meine heutigen Beiträge zu Federn, 8, 9 und 10:
-Schülerhaus informiert, dass ich meinen Vorsitz vorläufig niederlege
-Schuldnerberatung informiert, dass ich die nächsten vier Termine nicht wahrnehmen werde
-Latte Macciato gekocht und auf der Terasse die Sonne genossen

Alles klar Boss? Habe einfach mein derzeitiges Aufgabenfeld den Rahmenbedingungen angepasst. Die Änderungskündigung hast DU mir zuerst geschickt. Erzangie hat sich nur drauf eingestellt.

Eine Woche habe ich jetzt nicht gebloggt. Mein Leben macht mich zur Zeit sprachlos. Die Phase der panischen Angst habe ich zur Zeit hinter mir, übermorgen gehts dann ins Krankenhaus.

Wozu ist das alles gut, frage ich mich die ganze Zeit, wo ist der Sinn? Was macht mir den sprichwörtlichen "dicken Hals"?

Ich habe eine Woche unglaublich viel gelesen. Genauso, als Microengelchens Taubheit diagnostiziert wurde, entdecke ich jetzt wieder eine Paralellwelt mit eigenen Geschichten, Regeln, Ritualen, mit der ich mich im Leben nicht beschäftigt hätte, wenn mich nicht der Krebs gebissen hätte (auch ein Titel eines Buches).

Einer meiner Wahlsprüche ist "panta rhei". Alles fließt, alles verändert sich ständig. So gnadenlos damit konfrontiert zu werden, dass im Leben nichts selbstverständlich ist, noch nicht mal das Leben selbst, macht aber nicht wirklich Spaß. Ich weiß nicht, wohin dieser Weg mich schon wieder führt. Ich weiß nur, dass nichts mehr so ist wie noch vor zwei Wochen. Meine innere Welt ist in Aufruhr, alles was wichtig war, muss auf den Prüfstand, und was demnächst wichtig und richtig sein wird, weiß ich noch nicht.

Und über dem allem strahlt die lang lang ersehnte Frühlingssonne. Wenn da Big Boss nicht ein richtig guter Scherz gelungen ist, weiß ich es auch nicht.

Dieses Wochenende wünsche ich niemandem. Gestern konnte ich vor lauter Angst weder Essen noch an irgendetwas denken, was mich vielleicht abgelenkt hätte. Die Panik schnürte mir den Hals zu, und gleichzeitig musste ich für die Minis ganz normal sein. Ein bißchen konnte ich ihnen ja mit den Kopfschmerzen erklären, aber ansonsten musste ich mich zusammen reißen. Dabei hätte ich am liebsten geschrien und geheult, alles war schwarz und die Sonne kam nicht mehr zu mir durch.

Heute ist es etwas besser. Die Angst in meinem Bauch liegt als realer Kieselstein in meiner Schublade, wenn sie hoch kommt, nehme ich den Stein in die Hand und lege ihn bewußt wieder zurück. Ich war mit Microengelchen schwimmen, anschließend eine lange, lange Runde mit dem Collie und zum krönenden Abschluss mit den beiden bei Mäckes. Alles ist unter der Käseglocke, den größten Adrenalinschub bekomme ich, wenn mich die Kids nach irgendetwas fragen, was in der Zukunft liegt.

Morgen muss ich wieder zum Arzt, dann wird sich entscheiden, wann genau ich ins Krankenhaus zur Entnahme eines Lymphknotens muss. Erst dann wird eine entgültige Diagnose folgen, erst dann werde ich wissen, was als Behandlung folgen wird. Wenn es "nur" um mich ginge. Wenn meine Kids nicht reingezogen würden... meine stärksten Ängste betreffen die beiden. Wenn ich nur wüßte, was auf uns zu kommt.
Das Internet hilft nicht. Ich habe ein Overflow an Information, aber die Fragen, die ich habe, werden nicht beantwortet.

Wieso haben die beiden keinen Vater, der sich um sie kümmert? Wenn Sie mich verlieren, stehen sie allein da.
Gottseidank habe ich Freunde. Sie stehen hinter mir, bieten mir Hilfe und Unterstützung an, aber meine Angst können sie mir nicht nehmen.

Wie auch immer es weiter gehen wird, es wird nie mehr so sein wie es war. Warum? Warum muss ich mein ganzes Leben kämpfen? Warum kann es nicht einfach mal eine Weile GUT sein?

Jetzt bin ich am Boden. Heutige Diagnose: dringender Verdacht auf Morbus Hodgkin. Chemotherapie mehr als wahrscheinlich. Und dazu habe ich höllen Kopfschmerzen.

He Boss: Hast du den Knall nich gehört? Erzangie reißt sich die Beine aus, um die verdammten Flügel zu verdienen und DU schickst Lymphdrüsenkrebs??? Halloooooo? Hab ich irgendwas nich mitbekommen? Eh man, ich hab hier zwei Miniengel, die ich allein versuche groß zu bekommen, da hab ich echt keine Resourcen mehr frei für Krebs!!

Heute schwanke ich zwischen Angst und Wut. Und draußen geht der Frühling, auf den ich schon so lange warte, endlich los... Das Leben ist sowas von ungerecht!

Erzangie hat heute andere Sorgen als Federn.

Der Plan für heute war: Business as usual. Aber so usual... das macht die Dramaqueen in mir nich mit :-)

Also erst mal Projektkonferenz überstehen. Dann schaun, wieso der Schreibtisch nach zwei Tagen ohne mich so überquillt. Ja, ich mache die Präsentation sofort als erstes, ja, den Termin am Freitag nehme ich gerne war (das stimmt sogar) und dann... Computer findet das Netzwerk nicht. War klar. Hat ja keiner was dran gemacht, aber komisch is schon, dass er so gar keine Daten mehr preis gibt. Also in der eh schon knapp bemessenen Zeit den Support angefordert, eine Stunde gewartet um dann gesagt zu bekommen, dass der "Switch" abgestürzt is. Hätte ich ja auch selbst drauf kommen können. Super beeilt, um noch alles fertig zu bekommen, dann ab zur Klassenkonferenz (Erzangies Ehrenamt No. xy). Vor lauter Stress hab ich glatt meine Augenschmerzen vergessen.

Dann komme ich nach Hause, und das schwarze Loch öffnet sich. Man, hatte ich eine Angstattacke! Ich find jetzt überall Knubbel, und die, die gestern schon da waren, sind heute viel dicker. Ich hab sonst nix (ok, das Auge tut schweineweh) aber vor meinem inneren Auge ziehen die diversen Krebsarten mit ihren Symptomen an mir vorüber. Wo ich gestern noch dachte "warum soll ausgerechnet mich was Schlimmes erwischen" werde ich heute den Gedanken nicht los "warum ausgerechnet mich nicht?" Microengelchen war leicht verwirrt, warum mir die Tränen laufen, Gottseidank weiß sie von dem Gerstenkorn, so hab ich noch mal die Kurve gekriegt. Aber es ist mir wirklich schwer gefallen, mich wieder einzukriegen.

Ich hab solche Angst! Und ich krieg diese Emotion gerade nicht in den Griff.

Erzangie war zwar zum Wohl der Allgemeinheit bei der Klassenkonferenz, aber eine Feder hat sie sich heute nicht verdient :-(

Gut, wenn man einmal ein Wehwehchen hat, kommen da ja gern noch welche dazu. Hab die Nacht zum Tag gemacht und war kurz davor, mich für die nächsten Tage von meinem Kopf zu trennen. Man, kann DAS weh tun! Und dann dachte ich, wenn man Schmerzen hat, geht man zum Arzt, und der sorgt dann dafür, dass man keine mehr hat. Aber nich als Kassenengel, so nich! Mich haben geschlagene drei Augenärzte abgewiesen, bevor ich bei der vierten geruhsame aber schmerzhafte zweieinhalb Stunden warten durfte. Kleines Problemchen am Rande war, dass ich seit November kein Auto mehr habe und das mit dem Selbstfliegen noch ein bißchen dauert und zu allem Überfluss auf dem Land wohne. Jetzt weiß ich also, wie weh ein beginnendes Gerstenkorn und entzündetes Augenlid tut und dass alle zwei Stunden ein Tropfen Kortison Wunder wirkt.

Beitrag zu Feder Nr.7: gefühlte 92 Kilometer zu Fuß gepilgert und damit Erzengels Seele, Wohlbefinden und Umwelt gerettet.

So, den MRT Termin hab ich nu also geschafft. Super klasse, jetzt geht´s mir noch schlimmer. Nicht dass meine Befürchtungen ausgeräumt wurden, nein, es kommen noch ein paar neue hinzu. Oder wie soll ich es deuten, wenn der nette Onkel Doktor zu scherzen beliebt:" ich dachte, Ostern wäre schon vorüber" und dann auf meine diversen Lypmhknotenschwellungen zeigt. Ja, eine Entzündung sei da eher unwahrscheinlich, das müsse man näher untersuchen: "aber lassen Sie sich da nicht so viel Zeit bei".
Aha.
Hab nich gefragt, wie viel Zeit im Allgemeinen ich da noch hab.
Hab auch keine weiteren Erklärungen erhalten, etwa in dem Tenor "das hat alles eine ganz harmlose Ursache", nur das von Bedenken zerfurchte Gesicht des Arztes.
Googlen is ne gaanz schlechte Idee. Worst Case Szenarien en masse. Hab ich eingestellt und blogge lieber ein bißchen, geh jetzt ne Runde mit dem Collie und reiß mich für die Engelskids zusammen.

Beitrag für die rabenschwarze Feder: Caritas-Beratungstermin trotz eigener Sorgen wahrgenommen, weil die anderen ja auch nix dafür können und Hilfe brauchen.